29
Mrz
2010

Rosario Castellanos

Rosario

Destino

Matamos lo que amamos. Lo demás
no ha estado vivo nunca.
Ninguno está tan cerca. A ningún otro hiere
un olvido, una ausencia, a veces menos.
Matamos lo que amamos. ¡Que cese ya esta asfixia
de respirar con un pulmón ajeno!
El aire no es bastante
para los dos. Y no basta la tierra
para los cuerpos juntos
y la ración de la esperanza es poca
y el dolor no se puede compartir.

El hombre es animal de soledades,
ciervo con una flecha en el ijar
que huye y se desangra.

Ah, pero el odio, su fijeza insomne
de pupilas de vidrio; su actitud
que es a la vez reposo y amenaza.

El ciervo va a beber y en el agua aparece
el reflejo de un tigre.
El ciervo bebe el agua y la imagen. Se vuelve
—antes que lo devoren— (cómplice, fascinado)
igual a su enemigo.

Damos la vida sólo a lo que odiamos.

18
Jan
2010

Karl Kraus

Karl-Kraus

Zuflucht

Hab' ich dein Ohr nur, find' ich schon mein Wort:
wie sollte mir's dann an Gedanken fehlen?
Von zwei einander zugewandten Seelen
ist meine flüchtig, deine ist der Hort.

Ich komme aus dem Leben, jenem Ort,
wo sie mit Leidenschaft das Leben quälen
und sich die Menschen zu der Menschheit zählen,
und technisch meistern sie den Tag zum Tort.

So zwischen Schmach und Schönheit eingesetzt,
rückwärts die Welt und vorwärts einen Garten
ersehend, bleibt die Seele unverletzt.

Fern zeigt das Leben seine blutigen Scharten,
an mir hat es sich selber wundgehetzt.
Offne dein Ohr, um meines Worts zu warten!

16
Jan
2010

Adelbert von Chamisso

Chamisso

Mäßigung und Mäßigkeit

Laßt das Wort uns geben heute,
Uns vom Trunke zu entwöhnen;
Ziemt sich's für gesetzte Leute,
Wüster Völlerei zu frönen?
Nein, es ziemt sich Sittsamkeit.
Gutes Beispiel will ich geben:
Mäßigung und Mäßigkeit! –
Stoßet an, sie sollen leben! –
Mäßigung und Mäßigkeit! –
Maß! Maß!
Leert darauf das volle Glas!

Seht, ein Glas ist Gottes Gabe,
Und das zweite stimmt uns lyrisch;
Wenn ich gegen drei nichts habe,
Machen viele doch uns tierisch;
Trinket mehr nicht als genung!
Und mein Lied will ich euch singen:
Mäßigkeit und Mäßigung! –
Laßt die vollen Gläser klingen! –
Mäßigkeit und Mäßigung!
Maß! Maß!
Leert darauf das volle Glas!

Seht den Trunkenbold in schrägen
Linien durch die Gassen wanken;
Kommt die Hausfrau ihm entgegen,
Hört sie keifen, hört sie zanken;
Das verdient Beherzigung.
Laßt uns an der Tugend haften:
Mäßigkeit und Mäßigung!
Pereant die Lasterhaften;
Mäßigkeit und Mäßigung!
Maß! Maß!
Leert darauf das volle Glas!

Was hast, Schlingel, du zu lachen?
Will das Lachen dir vertreiben;
Dich moralisch auch zu machen,
Dir die Ohren tüchtig reiben,
Pack dich fort bei guter Zeit!
Doch ich will mich nicht erboßen:
Mäßigung und Mäßigkeit! –
Eingeschenkt und angestoßen! –
Mäßigung und Mäßigkeit!
Maß! Maß!
Leert darauf das volle Glas!

Modus, ut nos docuere,
Sit in rebus, sumus rati;
Medium qui tenuere
Nominati sunt beati;
C'est le juste Milieu zur Zeit!
Ergo! Ergel! – Deutsch gesprochen:
Mäßigung und Mäßigkeit! –
Frisch das Glas nur ausgestochen –
Mäßigung und Mäßigkeit!
Maß! Maß!
Leert darauf das volle Glas!

Nüchtern bin ich, – Wein her! Wein her! –
Immer nüchtern, – das versteht sich. –
Nur das Haus, der Boden, – Nein, Herr,
Nicht betrunken! – Wie doch dreht sich
Alles so um mich im Schwung?
Laß mich, Kellner, laß mich liegen!
Mäßigkeit und Mäßigung! –
Heute muß die Tugend siegen! –
Mäßigkeit und Mäßigung!
Maß! Maß!
Noch ein Glas – so – noch ein Glas!

15
Jan
2010

Paul Boldt

Friedrichstraßendirnen

Sie liegen immer in den Nebengassen,
Wie Fischerschuten gleich und gleich getakelt,
Vom Blick befühlt und kennerisch bemakelt,
Indes sie sich wie Schwäne schwimmen lassen.

Im Strom der Menge, auf des Fisches Route.
Ein Glatzkopf äugt, ein Rotaug‘ spürt Tortur,
Da schießt ein Grünling vor, hängt an der Schnur
Und schnellt an Deck einer bemalten Schute,

Gespannt von Wollust wie ein Projektil!
Die reißen sie aus ihm wie Eingeweide,
Gleich groben Küchenfrauen ohne viel

Von Sentiment. Dann rüsten sie schon wieder
Den neuen Fang. Sie schnallen sich in Seide
Und steigen ernst mit ihrem Lächeln nieder.

11
Jul
2009

Federico García Lorca

garcialorca

Gacela del niño muerto

Todas las tardes en Granada,
todas las tardes se muere un niño.
Todas las tardes el agua se sienta
a conversar con sus amigos.

Los muertos llevan alas de musgo.
El viento nublado y el viento limpio
son dos faisanes que vuelan por las torres
y el día es un muchacho herido.

No quedaba en el aire ni una brizna de alondra
cuando yo te encontré por las grutas del vino.
No quedaba en la tierra ni una miga de nube
cuando te ahogabas por el río.

Un gigante de agua cayó sobre los montes
y el valle fue rodando con perros y con lirios.
Tu cuerpo, con la sombra violeta de mis manos,
era, muerto en la orilla, un arcángel de frío.

Gacela des toten Kindes

In Granada stirbt jeden Nachmittag,
stirbt jeden Nachmittag ein Kind.
Jeden Nachmittag setzt sich das Wasser
und redet mit seinen Freunden.

Die Toten haben moosige Flügel.
Der bewölkte Wind und der reine Wind
sind zwei Fasane, die an den Türmen vorbeifliegen,
der Tag ist ein Junge mit einer Wunde.

In der Luft war nicht einmal mehr die Spur einer Lerche,
als ich dich im Weingewölbe traf.
Auf der Erde verblieb nicht einmal eine Krume Wolke,
als du im Flusse ertrankst.

Ein Riese aus Wasser fiel auf die Berge,
und das Tal umgab sich mit Hunden und Lilien.
Im violetten Schatten meiner Hände war dein Körper,
tot am Ufer, ein Erzengel der Kälte.

(Deutsch von Johannes Beilharz)

22
Apr
2009

Elisabeth Langgässer

Langgaesser

Frühling 1946*

Holde Anemone,
Bist du wieder da
Und erscheinst mit heller Krone
Mir Geschundenem zum Lohne
Wie Nausikaa?

Windbewegtes Bücken,
Woge, Schaum und Licht!
Ach, welch sphärische Entzücken
Nahm dem staubgebeugten Rücken
Endlich sein Gewicht?

Aus dem Reich der Kröte
Steige ich empor,
Unterm Lid noch Plutons Röte
Und des Totenführers Flöte
Gräßlich noch im Ohr.

Sah in Gorgos Auge
Eisenharten Glanz,
Ausgesprühte Lügenlauge
Hört ich flüstern, daß sie tauge,
Mich zu töten ganz.

Anemone! Küssen
Laß mich dein Gesicht:
Ungespiegelt von den Flüssen
Styx und Lethe, ohne Wissen
Um das Nein und Nicht.

Ohne zu verführen,
Lebst und bist du da,
Still mein Herz zu rühren,
Ohne es zu schüren -
Kind Nausikaa!

_____

*Für ihre Tochter Cordelia, damals noch in Auschwitz vermisst

2
Apr
2009

Allen Ginsberg

Ginsberg

In my kitchen in New York

(for Bataan Faigao)

Bend knees, shift weight
Picasso's blue deathhead self portrait
tacked on refrigerator door

This is the only space in the apartment
big enough to do t'ai chi

Straighten right foot & rise--I wonder
if I should have set aside that garbage
pail

Raise up my hands & bring them back to
shoulders--The towels and pyjama
laundry's hanging on a rope in the hall

Push down & grasp the sparrow's tail
Those paper boxes of grocery bags are
blocking the closed door

Turn north--I should hang up all
those pots on the stovetop
Am I holding the world right? That
Hopi picture on the wall shows
rain & lightning bolt

Turn right again--thru the door, God
my office space is a mess of
pictures & unanswered letters

Left on my hips--Thank God Arthur Rimbaud's
watching me from over the sink

Single whip--piano's in the room, well
Steven & Maria finally'll move to their
own apartment next week! His pants're
still here & Julius in his bed

This gesture's the opposite of St. Francis
in Ecstasy by Bellini--hands
down for me

I better concentrate on what I'm doing
weight in belly, move by hips
No, that was the single whip--that apron's
hanging on the North wall a year
I haven't used it once
Except to wipe my hands--the Crane
spreads its wings have I paid
the electric bill?

Playing the guitar do I have enough $
to leave the rent paid while I'm
in China?

Brush knee--that was good
halavah, pounded sesame seed,
in the icebox a week

Withdraw & push--I should
get a loft or giant living room
The land speculators bought up all
the sqaure feet in Manhattan,
beginning with the Indians

Cross hands--I should write
a letter to the Times saying
it's unethical

Come to rest hands down knees
straight--I wonder how
my liver's doing. O.K. I guess
tonite, I quit smoking last
week. I wonder if they'll blow
up an H Bomb? Probably not.

Manhattan Midnite, September 5, 1984

8
Mrz
2009

Louise Otto

Otto

Für alle

Für alle! hören wir die Worte tönen,
Da wird das Herz uns plötzlich groß und weit!
Sie künden uns wie mit Drommetendröhnen
Den Siegsgesang der echten Menschlichkeit.
Denn anders ist kein heilig' Werk zu krönen
Und anders nie zu enden Kampf und Streit,
Als wenn ein Heil, das in die Welt gekommen
Der Sonne gleich für alle ist entglommen.

"Für alle!" sangen einst der Engel Scharen
In jener gottgeweihten heil'gen Nacht,
"Für alle will der Herr sich offenbaren
In seiner ewigtreuen Liebesnacht;
Für alle hat er Noth und Tod befahren
Und der Erlösung großes Werk vollbracht,
Das gleich den Gliedern eines Leibes einte
Mit festem Band die gläubige Gemeinde."

"Für alle -" klang es im Hussitenheere -
"Ist auch der Gnade Kelch mit Christi Blut,
Denn allen ward verkündet seine Lehre,
Die in der Gleichheit aller Menschen ruht,
Und Erd' und Himmel hat nicht höhre Ehre,
Als nun uns wird mit dem geweihten Gut."
Im Märtyr'tum, in grauser Todeshalle
Ertönt es noch: "Der Kelch des Heils für alle!"

So wußten sie die Losung recht zu fassen,
Erteilten sie an Mann und Weib zugleich.
Sie wollten nicht das hohe Erbteil lassen,
Das Bürgertum im neuen Liebesreich.
Da gab es keinen Neid mehr und kein Hassen,
kein Sklaventum, kein Herrschen stark und feig,
Die Seelen galt's, die freien, zu erretten
Aus düsterm Bann, aus schwerer Knechtschaft Ketten.

Wo wieder aber ward der Ruf vernommen:
"Für alle Freiheit!" klang es fast wie Hohn,
Denn für die Männer nur war er gekommen
Im Wettersturm der Revolution.
Denn schien auch Joch auf Joch hinweggenommen,
Und stürzte auch in Trümmer Thron um Thron:
Dem Männerrecht nur galt das neue Ringen,
Das Frauenrecht blieb in den alten Schlingen.

Wohl grüßten freie Männer sich als Brüder,
Nur Bürger gab es, nicht mehr Herr und Knecht;
Wohl sangen sie der Liebe Bundeslieder
Und fühlten sich als ein erneut' Geschlecht.
Doch auf die Schwestern blickten stolzt sie nieder,
Der Menschheit Hälfte blieb noch ohne Recht,
Blieb von dem Ruf: "Für alle!" ausgenommen -
Ihr muß erst noch der Tag des Rechtes kommen.

Der Frauen Schar, die in den Staub getreten,
Ward nur erhoben an des Glaubens Hand.
Die Besten lernten fromm zum Himmel beten,
Weil ja die Erdenwelt sie nicht verstand;
Die andern aber ließen sich bereden
Sie seien nur bestimmt zu Spiel und Tand,
Es sei ihr höchstes Ziel im süßen Minnen,
Des ganzen Lebens Inhalt zu gewinnen.

Doch wiederum wird einst der Ruf erklingen:
So wie vor Gott sind wir auf Erden gleich!
Die ganze Menschheit wird empor sich ringen
Zu gründen ein erneutes Liebesreich,
Dem Weibe wie dem Mann sein Recht zu bringen
Zu wahren mit des Friedens Palmenzweig.
In laut'rer Wahrheit stolzem Siegesschalle
Tönt's noch einmal: "Erlösung kam für alle!"
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